So weit ich mitbekommen habe, bestehen Pflanzen ja aus unzähligen, oft vielleicht sogar in die hunderte gehenden Stoffen. Die Wissenschaft braucht oft eine ganze Weile, einige dieser Stoffe festzustellen und dann noch deren Wirksamkeit zu untersuchen und nachzuweisen. Dabei untersucht sie sehr oft nur einen einzelnen Stoff. Die Kombination der Wirkstoffe in einer Pflanze ist dann noch viel schwieriger exakt nachzuweisen. Aber die Natur stellt selten nur einen isoliert wirkenden Stoff her, sondern die Stoffe sind meist in eine komplizierte Wechselwirkung eingebunden. Daher könnte ich mir vorstellen, dass es noch keine einzige Pflanze gibt, die in wissenschaftlich in der Fülle ihrer Wirkstoffe komplett erfaßt ist.
Allerdings hat die Wissenschaft die Wirkung einzelner Stoffe zum Teil gut untersucht und es gibt auch Medikamente mit diesen Wirkstoffen. Und es gibt Medikamente, die ganze Pflanzen enthalten - da ließ sich dann wohl eine bestimmte Wirkung der gesamten Pflanze regelmäßig feststellen. Das heißt aber nicht, dass alle Wirkstoffe der Pflanze komplett erforscht wären.
Ich vermute, es gibt nur wenig Forschungen zur Kombination von unterschiedlichen Pflanzen. Es ist aber denkbar, dass sie sich z.B. in der Wirkung aufheben oder negativ auswirken. Ein einfaches Beispiel für das Aufheben von Wirkungen in der Medizin: ich nehme ein Mittel bei Husten, das mir das Abhusten erleichtert, gleichzeitig nehme ich ein Mittel, das das Husten unterdrückt. Diese beiden Mittel können sich dann gegenseitig behindern, obwohl sich beide Hustenmittel nennen. So könnte ich mir jetzt als erfundenes Beispiel vorstellen, dass es zwei Pflanzen gibt, die die Leistungsfähigkeit steigern: die eine, indem sie für eine tiefere Entspannung sorgt und somit anschließend für eine bessere, erholtere Leistungsfähigkeit, und eine andere Pflanze, die aufputscht (z.B.mit Koffein) und dadurch genau mit der gegenteiligen Wirkung (nicht Entspannung) die Leistung kurzfristig erhöht. Würde ich beide Pflanzen nehmen, könnten sie sich evtl. in der Wirkung aufheben oder sogar eine Negativwirkung hervorbringen.
Was nun die Einnahme von Heilpflanzen betrifft, gibt es jahrhunderte lange Erfahrungen, die uns helfen können. Diese Erfahrungen sind aber etwas anders geartet als unsere naturwissenschaftlichen Erfahrungen mit immer wiederholbarer Überprüfbarkeit. Das Wissen über diese Pflanzen ist oft mit einer inneren Schau, einem inneren Wissen der Heiler verbunden. Und diese konnten und können dieses geschaute Wissen auch mit einzelnen Menschen verbinden, sie spüren, ob eine Pflanze einem Menschen gut tut oder nicht.
Dabei zeigte sich, dass bestimmte Pflanzen in sehr vielen Fällen sehr vielen Menschen helfen konnten. Diese wurden dann auch zu Heilpflanzen, die auch der Nichtheiler oft verwendete, und die in den meisten Fällen positive Wirkungen hatten.
Bestimmt gibt es in den Ländern, in denen die Pflanzen wachsen, auch Erfahrungen über Kombinationen von Pflanzen, die positiv wirken. Aber dieses Erfahrungswissen ist eingebettet in eine jahrhundetealte Kultur, dazu in eine eigene Kultur der Ess- und Lebensgewohnheiten.
Aus diesen Gründen wird es schwierig sein, hier Pflanzenkombinations-Erfahrungen einfach zu übernehmen (abgesehen davon, dass wahrscheinlich bei uns gezogene Pflanzen eine etwas andere Wirkstoffverteilung haben als im Heimatland, weil die Bedingungen (Licht, Wärme, Feuchte, Boden, umgebende Pflanzen usw.) bei uns ja anders sind).
Außerdem können wir hier über Rühlemanns Pflanzen kombinieren, die aus ganz verschiedenen Erdteilen stammen und so vielleicht vorher noch nie kombiniert wurden.
Die Wirkung ist außerdem ja nicht auf jeden Menschen und in jeder Situation gleich. Die hängt ja auch von der ererbten Konstitution ab und vom momentanen Zustand. Es ist bei weitem nicht so, dass alle Stoffe bei allen Menschen das Gleiche auslösen. Ein Mensch braucht viel Salz, der nächste wird krank, wenn er zu viel davon ißt, usw. Leider hat unsere Medizin und Pharmazie noch viel zu wenig verstanden, dass der gleiche Wirkstoff nicht unbedingt bei jedem Menschen das Gleiche bewirkt, sondern sehr unterschiedlich wirken kann.
Ich vermute, auch ein Arzt oder Apotheker dürfte bei der Frage der Kombination mehrerer Heilpflanzen erst einmal überfordert sein.
Wer hier Heilpflanzen bestellt (er kauft sie selbstverständlich nur als Zierpflanze, da Rühlemann ja Pflanzen nur als Zierpflanzen verkauft) und dann doch selbst nach Gutdünken als Heilmittel kombiniert wird immer selbstverantwortlich sein müssen. Das bedeutet für mich aber auch, dass ich nicht schnell schnell mir eine oder mehrere Pflanzen bestelle und sie dann so bald als möglich reichlich einnehme und hoffe eine bestimmte gewollte Wirkung zu erzielen - sondern ich versuche langsam forschend, schauend, schmeckend, beobachtend mich den Pflanzen zu nähern.
Hier eine Beschreibung, wie ich z.B. vorgehen könnte:
Ich beobachte sie in ihrem Wachstum, ich rieche sie, ich schaue sie an, ich fühle vielleicht auch ihre Blätter/Blüten. Ich nehme wahr, ob mir eine Pflanze sympathisch ist, ob ich das Bedürfnis spüre, sie zu mir zu nehmen, oder ob sie mir unangenehm ist.
Dann versuche ich ein kleines Blättchen zu essen und frage mich, wie sich das für mich anfühlt. Wenn es sich gut anfühlt, werde ich mehr zu mir nehmen, aber anfangs auch nur kleine Mengen. Ich probiere die Pflanze roh und als Tee, kurz gezogen und lang gezogen, warm und kalt. So bekomme ich langsam eine Vorstellung vom Geschmack der Pflanze und meiner Beziehung zu diesem Geschmack. Auch mein Körper lernt wohl langsam, die Wirkung einer Heilpflanze auf sich zu verstehen und entwickelt eine Zu- oder Abneigung. Auf diese Signale höre ich. Das ist ja ein großer Vorteil der Heilpflanzen, dass ich sie bei der Einnahme noch schmecke, dass ich sie vorher als Pflanze sehen, riechen und fühlen kann. Bei einer Pille, die ich einwerfe, fällt all das weg - all diese Informationen fehlen mir beim Pillenschlucken leider. Schon daher ist eine Einnahme von Heilpflanzen etwas ganz anderes.
Dass uns etwas schmeckt oder anekelt ist ja nicht zufällig. Das Gutschmecken soll uns ja dahin führen, dass wir bestimmte Nahrungsmittel häufiger zu uns nehmen und Abneigungen sollen verhindern, dass wir zu viel von etwas zu uns nehmen, das uns nicht gut tut. Auch wandelt sich unser Verlangen und das sogar mehrmals am Tag und noch während des Essens. Der Körper sagt uns ständig, was uns gut tut, was wir brauchen, und was nicht (es gibt dabei natürlich Irrtümer, zum Beispiel beim Zuckerkonsum - besonders bei denaturierten Lebensmitteln weiß unser Körper immer weniger, was ihm jetzt wirklich gut tut. Auch bei süchtigmachenden Stoffen ist unser Verlangen nicht mehr richtig orientiert).
Wenn ich mich langsam den Heilpflanzen nähere, entwickle ich auch ein sinnvolles Gespür dafür, welche Pflanzen für mich gerade gut sind, und welche ich besser meiden sollte.
Trotzdem gehe ich nicht allein nach meinen Vorlieben, sondern ich beobachte mich auch, wie ich mich nach der Einnahme von Heilpflanzen fühle: unmittelbar danach, ein paar Stunden danach und auch über einen längeren Zeitraum. Wenn ich mich nicht so gut fühle, lasse ich erst einmal die Finger von der Heilpflanze. Da ich aber nicht weiß, ob das Befinden von der Pflanze ausgelöst wurde oder zufällig schlecht war, probiere ich die Heilpflanze vielleicht wieder nach einem zeitlichen Abstand.
So taste ich mich an die Heilpflanzen und ihre Wirkung bei mir heran. So entwickeln sich für mich auch ganz individuelle Beziehungen zu den Pflanzen. Und die Heilpflanzen sind keine reinen Wirkstofflieferanten mehr für mich, sondern Wesen, die mit mir im Austausch stehen, Pflanzen, die ich hege und pflege und die mir dafür ihre wohltuenden Wirkungen schenken.
Und diese Freude an der sich gegenseitig beschenkenden Beziehung ist für mich auch schon mit ein Teil der Heilwirkung.